IDEAS WORTH SPREADING

Auf dieser Seite finden Sie kritische und sehr differenzierte Stimmen von Staatsrechtlern, Soziologen, Politologen, Journalisten, Kabarettisten, Wissenschaftlern. Es ist eine Auswahl aus ihren Beiträgen, von denen jeder Einzelne lesenswert und in seiner Gesamtheit ausgewogener ist, als diese Auswahl hier suggeriert.

Man kann sich den Verlinkungen folgend ein vollständiges Bild der einzelnen Beiträge machen.

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STIMMEN

IDEAS WORTH TO BE REFLECTED


 

Spiegel-Interview

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Die Zahlen sind vollkommen unzuverlässig

Gerd Antes ist Statistikexperte und Professor an der Medizinischen Universität Freiburg. Seit vielen Jahren setzt er sich dafür ein, dass medizinische Entscheidungen auf der Basis gesicherter Fakten getroffen werden. Er war Mitgründer des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin und bis 2018 Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums, das Übersichtsarbeiten zu medizinischen Fragestellungen erarbeitet.

31.03.2020


SPIEGEL: Herr Antes, Sie gelten als der Medizinstatistik-Experte in Deutschland. Wie gefährlich ist das Coronavirus aus Ihrer Sicht?

Antes: Wenn ich das wüsste.

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(Wir) wissen .. nicht, wie tödlich das neue Coronavirus im Vergleich zur Grippe ist und wie viel schneller genau es sich ausbreitet.

Es gibt zwei enorme Probleme mit den Zahlen: Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich bislang mit dem neuen Coronavirus infiziert haben und wie viele jeden Tag hinzukommen. Außerdem ist unklar, wie viele Menschen ursächlich an einer Infektion sterben.

Wie viele Menschen sich tatsächlich infizieren, wissen wir dagegen nicht. Die Schätzungen variieren extrem. So eine Streuung ist ein sicheres Zeichen, dass niemand auch nur ungefähr weiß, wo die Wahrheit liegt.

 

SPIEGEL: Und die Zahl der Corona-Toten?

Antes: Entscheidend ist, wie die Todesfälle gezählt werden. Derzeit gilt im Prinzip jeder Tote, der mit dem Virus in Verbindung steht, als Corona-Todesfall. Die Wahrheit ist deutlich komplexer, denn viele von denen, die jetzt am Coronavirus sterben, wären möglicherweise auch ohne das Virus gestorben, aber später. Nehmen wir etwa eine Person, die schwer herzkrank ist. Wenn sie sich nun mit dem Coronavirus infiziert und stirbt, war dann das Herzleiden entscheidend oder das Virus? Stirbt jemand am oder mit dem Virus? Das lässt sich kaum auseinanderdividieren. 

Große Testreihen erlauben einen besseren Überblick. Allerdings kann man die Zahlen dann nicht mehr mit den derzeit nachgewiesenen Fällen vergleichen. Wenn in Deutschland plötzlich viel mehr getestet wird, findet man zwangsläufig auch mehr Infizierte. Ob sich wirklich mehr Menschen angesteckt haben, weiß man dann aber nicht.

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Wir müssen sehr regelmäßig, vielleicht jede Woche, einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt auf Infektionen untersuchen. Dafür sind sehr viele Tests nötig. … Aus dem Anteil der Infizierten in einer solchen Stichprobe lassen sich genaue Rückschlüsse auf die Gesamtsituation ziehen. Damit wird es deutlich leichter, abzuschätzen, ob oder wie die Zahl der Neuinfektionen steigt oder abnimmt …

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https://bit.ly/2WYKSIe


Verfassungsblog.de

EDITORIAL

Sancta Corona, ora pro nobis

Maximilian Steinbeis
Fr 27 Mrz 2020

Maximilian Steinbeis is a legal journalist and writer and the founder and chief editor of Verfassungsblog. His recently appeared book (with Stephan Detjen) is „Die Zauberlehrlinge. Der Streit um die Flüchtlingspolitik und der Mythos vom Rechtsbruch“.


Noch ist die Corona-Krise gar nicht so richtig da, in Deutschland zumindest. Wir sitzen ausgangsbeschränkt und netflixbetäubt in unseren Wohnungen, draußen glänzt der Frühling wie lackiert, die Mutter eines Freundes der Schwägerin soll angeblich Symptome haben. Alles ist wie immer und alles ist anders. Noch keine Triage in Deutschland, anders als im Elsass. Noch dürfen wir joggen gehen. Noch reicht das Klopapier. Noch sind wir selbst nicht krank.

Voll ausgebrochen, das wird man wohl sagen können, ist dagegen die Krise des Rechts- und Verfassungsstaates. Dass es für die Ausgangssperre im Moment ihres Erlasses in Deutschland keine vernünftige Rechtsgrundlage gab, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass der Versuch am Mittwoch im Bundestag, das zu ändern und das Infektionsschutzgesetz der Notlage anzupassen, verfassungsrechtlich ein totaler Wahnsinn ist, ebenfalls. Die Krise hat sämtliche Ebenen des Rechts- und Verfassungsstaates befallen, vom einfachen Gesetzesvorbehalt bis zur Geltung der Verfassung in der „Stunde der Not“ generell. Und wenn bereits diese Feststellung von manchen als pedantischer Juristenkram, als unsolidarisch oder gar als verantwortungslos skandalisiert wird, dann scheint mir dies nur ein um so deutlicheres Symptom dafür zu sein, wie schwindelerregend hoch die Körpertemperatur bereits gestiegen ist.

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Das gilt ebenso sehr für die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, die im neuen § 5 IfSG geregelt ist. Bundesgesundheitsminister Spahn schneidert sich hier Kompetenzen auf den Leib, die dem Verfassungsjuristen die Augen aus den Höhlen treten lassen: nicht nur eine Art „Bundesgesundheitspolizei“ (§ 5 Abs. 2 IfSG), sondern das Recht, „durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von den Vorschriften dieses Gesetzes“ zu erlassen. Jetzt lassen wir also Herr Spahn nach eigenem Gutdünken bestimmen, ob das, was der Gesetzgeber geregelt hat, noch gilt oder nicht?

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Verfassungsänderung ein „Notparlament“ einzuführen – ein Plan, dem der besagte CHRISTOPH MÖLLERS gleichfalls energisch den Unterschied zwischen einem militärischen Notstand und einer Naturkatastrophe entgegen hält: Der technischen Herausforderung, den Bundestag auch ohne hunderte in der Enge des Plenarsaals durcheinanderwuselnde Abgeordnete arbeitsfähig zu halten, sei auf der Ebene der Geschäftsordnung zu begegnen, nicht auf der des Grundgesetzes. „In Zeiten starker Exekutiven haben die Parlamente in Bund und Ländern die Pflicht, ihre Handlungsfähigkeit sicherzustellen, ohne sich dabei selbst in Frage zu stellen.“

 

Am Mittwoch war viel Feierliches zu hören darüber, wie der Bundestag sich bewährt habe in der Stunde der Not, und ich will das auch gar nicht in Abrede stellen. Aber noch feierlicher wäre mir zumute, wenn er nicht so einen Unfug beschlossen hätte. ….

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https://bit.ly/2JobxGH

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New York Times

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Forced to make the impossible choice between wealth and health, we could end up with neither.

By Spencer Bokat-Lindell.

March 24, 2020


What if we just didn’t ?

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As the country tallies up the economic cost of its first week of fighting the coronavirus pandemic — potentially millions of job losses, a plunging stock market and apprehensions of another Great Depression — an unspeakable thought has become a whisper, and the whisper an all-caps tweet: What if we just didn’t?

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Today, President Trump said he wanted to lift restrictions by Easter despite the warnings of public-health experts, fueling a debate about the right balance between saving lives and saving the economy. Are we striking it? Here’s what public-health experts, economists and journalists are saying..

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Is ‘the cure’ worse than the problem?

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No society can safeguard public health for long at the cost of its overall economic health, The Wall Street Journal’s editorial board writes. Resources to fight the virus aren’t limitless, the board says, and the costs of this national shutdown will soon cause “a tsunami of economic destruction” that will cause tens of millions to lose their jobs.
We don’t have enough reliable data about the disease’s fatality rate to be making such drastic economic sacrifices, John Ioannidis, a Stanford epidemiology professor, argues at Stat. What would happen, he asks, if we simply let the disease run its course? Even in the most pessimistic scenario, the coronavirus would kill about 40 million people worldwide, roughly matching the 1918 flu pandemic. But afterward, he says, life would hopefully continue, as it did after the flu. Conversely, the short-term and long-term consequences of an economic shutdown are entirely unknown, and billions, not just millions, of lives could be put at stake.
A better way to fight the pandemic is to isolate the most vulnerable, David L. Katz argues in The Times. He suggests the United States focus its resources on testing and protecting the elderly, people with chronic diseases and the immunologically compromised. By keeping a smaller portion of the population at home, he contends, most could return to life as usual and prevent the economy from collapsing.
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Between the economy and public health, a false choice?

.https://www.nytimes.com/2020/03/24/opinion/coronavirus-economy-social-distancing.html

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Dieter Nuhr im Ersten 26.03.2020

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95 % der Deutschen befürworten ein Kontaktverbot. Das kann ich persönlich nachvollziehen. Ich möchte auch mit 95 % der Menschen keinen Kontakt. 10 % sind ansteckend, 30 % riechen, 40 % reden einen Scheißdreck daher und der Rest ist sehr schlecht angezogen. …

Und da merkt man schon: Das Problem bei Corona sind gar nicht die Fragen, sondern die Antworten. Es gibt nämlich viel mehr schlechte Antworten als gute Fragen. Und für so wenig Antworten, wie wir haben, gibt es erstaunlich viel Handeln. Und ich weiß nicht, ob das, was gerade weltweit angerichtet wird, gut ist. Nämlich der globale Lock-down. 2,6 Milliarden Menschen befinden sich gerade im Hausarrest, was in der Folge den Kollaps der globalen Wirtschaft bedeutet. Und ich glaube, viele begreifen noch nicht, was das bedeutet und sind beleidigt, wenn man sagt, es geht auch um die Wirtschaft. Weil viele Menschen meinen, es sollte um die Menschen gehen. Nicht um die Wirtschaft. Das war schon vor Corona nicht unbedingt der schlauste Satz. Denn Wirtschaft ist die Grundlage unseres Überlebens. Und weil die Wirtschaft das bereit stellt, was uns das Leben erst ermöglicht. Als da wären: feste Nahrung, Klopapier und Katzenstreu…

Egal, ich weiß jedenfalls nicht, ob es sinnvoll ist, mit dem Wirtschaften komplett aufzuhören. Ich weiß es wirklich nicht. Und das ist auch nicht schlimm, dass ich das nicht weiß. Ich fürchte nur, dass die, die den Schaden anrichten: Die wissen das auch nicht. – Ja bitte, das bleibt jetzt unter uns. Ich habe das Gefühl, bei uns wird nicht gehandelt, weil man etwas weiß, sondern damit nachher niemand sagen kann, man hätte nichts getan. Und dann tut man eben das äußerst Mögliche, um nachher nicht schuld zu sein.

Und kein Mensch weiß gerade, wo das endet. Und ich weiß es auch nicht. Woher soll ich denn wissen, was richtig ist. Ich kenne mich mit Witzen aus. So ein Viruloge kennt sich mit Viren aus, Polizisten mit Verbrechern. Jeder kennt sich irgendwo aus. Weshalb eben nicht die Polizisten die Virulogen und die Komiker regieren, sondern eben der Wähler. Also alle. Alle, die eigentlich im Wesentlichen nichts wissen. Alle, die nichts wissen, entscheiden also über alles, weil das Nichtwissen in der Menge kulminiert. .. und deshalb entscheiden also jetzt die Virulogen. Die wissen wenigstens ein bisschen. Und deshalb haben wir jetzt die Diktatur des Virulogiats. Und weil die Virulogen keine Wirtschaftsexperten sind, bleibt die Wirtschaft auf der Strecke. Vielleicht sollte man auch mal die Wirtschaftsexperten entscheiden lassen, dann bleibt vielleicht das Virus auf der Strecke. Man weiß es nicht. Vielleicht bräuchten wir vielleicht auch mal wieder einen König. Der ist auch nicht schlauer, aber er wirkt wenigstens würdevoll.

Ich bin gespannt, wie lange es so weiter geht. Es sind ja nicht nur Idioten, die sich inzwischen trauen, ein bisschen Kritik an der kompletten Zerschlagung der Wirtschaft anzumelden. Die weltweite Coronataktik wird ja zunehmend auch kritisch beäugt. Hier die New York Times beispielsweise fragt: Wenn fast 100 % der Toten sehr alte Menschen mit Vorerkrankungen sind, wann isoliert man nur noch die mit hohem Risiko, nämlich Alte und sehr Kranke, und schützt sie dadurch und sorgt bei den anderen für Herdenimmunität durch Ansteckung? Und bringt dadurch die Seuche dann zum Abflauen. Der Vorschlag in der Times kommt immerhin vom Yale University Prevention Research Center. Das ist jetzt nicht Christian Drosten, ich weiß, aber immerhin…

Ich weise darauf hin, dass eine kollabierende Weltwirtschaft weit mehr Menschleben kosten könnte als eine Pandemie. Könnte!… Ich weise ja nur darauf hin. Schon Hinweise führen  ja im Internet schon mal schnell zu einer einstweiligen Hinrichtung. Was den Ideenwettbewerb auch nicht gerade fördert in diesen Tagen.

Egal, in diesen ansteckenden Zeiten will ich gar kein Influenza sein. Maximal Coronist sein.

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Verfassungsblog.de

Bitte keine Alternativlosigkeit

Michael Meyer-Resende
Sa 28 Mrz 2020

Michael Meyer-Resende is a lawyer (LL.M. Bruges) who worked in the OSCE, the BBC and the European Commission before co-founding the NGO Democracy Reporting International (DRI). He serves as DRI’s Executive Director.


Ein Gespenst geht wieder um in Deutschland: Die Alternativlosigkeit. Innemminister Seehofer erteilte am 26. März Überlegungen eine Absage, aus wirtschaftlichen Gründen die strengen Ausgehbeschränkungen vorzeitig wieder zu lockern: „So lange das Virus so wütet, ist der Schutz der Menschen alternativlos“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Mit anderen Worten, auch im Notstand regiert der Sachzwang. Diese Haltung widerspricht fundamental dem nun oft zitierten Wort Carl Schmitts, dass souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. Es ist eigentlich auch das Gegenteil der vielbeschworenen „Stunde der Exekutive“. Wo es nur Sachzwang ohne Alternativen gibt, kann man das Regieren dem Verwaltungsapparat oder den Experten überlassen.

Beide Pole der Debatte sind fatal, weil sie undemokratisch sind….

Das Feiern der quasi-freien Entscheidungsgewalt der Exekutive, nach dem Motto „endlich ohne Beschränkungen und viel Debatten durchregieren“, ist ebenso undemokratisch. Das Parlament funktioniert und spielt weiterhin eine wesentliche Rolle. Es darf sich nicht selbst verzwergen. Die CDU/CSU Fraktion hielt es nicht für nötig eine Fraktionssitzung – online oder offline – über das größte Hilfspaket der deutschen Geschichte abzuhalten; ein schlechtes Zeichen. Christoph Möllers hat hier die gesetzgeberischen Konturen der „Selbstentmächtigung“ des Parlaments aufgeführt.

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Es wäre fatal, wenn die Diskussion über die nächsten Schritte nicht heftig geführt wird, sondern mit dem Argument der Alternativlosigkeit sediert wird. Flatten the curve ist ein Slogan, der jetzt eine abgewogene Debatte erstickt. Die Bundeskanzlerin sagte in ihrer Ansprach vom 18. März „jedes Leben zählt“. Auch diese Aussage vernebelt den Kern des Problems. Jeder demokratische Staat trifft Kosten-Nutzen Abwägungen über Leben und Sicherheit seiner Bürger. Der Gesetzgeber könnte zum Beispiel automatische Brems-Assistenten in allen Autos vorschreiben, damit würden auf jeden Fall Menschenleben gerettet – aber Autos würden sehr viel teurer werden.

Die starke Beschneidung des öffentlichen Lebens ist eine extreme Maßnahme, um einer extremen Gefahr zu begegnen. Die Gefahr ist systemischer Natur – die Überlastung und der mögliche Zusammenbruch unseres Gesundheitssytems. Dabei geht es um eine quantitative Größe, den möglichen Tod sehr vieler Menschen. Ginge es um jedes einzelne Leben, müsste in der Tat, wie Kritiker anmerken, das Land bei jeder Grippe-Welle auf die Vollbremse treten oder sofort Tempo 100 auf den Autobahnen einführen.

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Natürlich wird es auch auf die genaue Entwicklung der Fallzahlen ankommen, aber es gibt keinen wissenschaftlichen Automatismus zwischen den Fallzahlen und den dazu passenden Maßnahmen. Wissenschaftler beraten und informieren über medizinische und wirtschaftliche Aspekte, Politiker wägen ab, entscheiden und übernehmen die Verantwortung.

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https://verfassungsblog.de/bitte-keine-alternativlosigkeit/

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Deutschlandfunk

Soziologe zu Coronakrise

„Werden eine Rückkehr des Staates erleben“

Seit 2000 lehrt Heinz Bude als Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Bude ist Mitglied und seit 2004 im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

Er gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.


Bude: Es ist sicher so, dass bestimmte Grundprinzipien der offenen Gesellschaft eingeschränkt worden sind – etwa ein Grundelement, das wir selbstverständlich in Anspruch nehmen, nämlich die Bewegungsfreiheit. Es kommt noch hinzu, dass man möglicherweise, wenn Sie etwa positiv getestet werden, eine starke Einschränkung erfahren müssen, insofern Sie sich in eine wohl definierte Isolationssituation begeben müssen, dass das von Ihnen verlangt wird. Das ist eigentlich ungeheuerlich. Das ist mehr, als man in Kriegszeiten von Ihnen verlangt hat, wo man – die älteren Generationen wissen das noch – in den Luftschutzkeller geflüchtet ist, aber man ist ja selber geflüchtet und man hat das selber auf eigene Initiative hin getan. Möglicherweise – und es wird sicher so sein –, dass es auch Isolationsaufrufe und Anordnungen geben wird für Leute.

Das zweite Problem sicherlich ist das Problem, was jetzt auf dem Tisch ist: die Nutzung von Bewegungsdaten. Das heißt, dass bei Leuten, die sich isolieren sollen, auch darauf geachtet wird, dass sie das auch tun, durch eine digitale Steuerungsmöglichkeit und Überwachungsmöglichkeit. Das sind alles schwerwiegende Einschränkungen. Interessant auch da finde ich, dass es eine hohe Zustimmung offenbar bei den Leuten im Augenblick dazu gibt und ich auch den Eindruck gewinne, dass für viele erst mal sogar eine positive Deutung der Lage daraus folgt.

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Es gibt eine neue Akzeptanz von Staatlichkeit, wie wir das, glaube ich, in den letzten 30, 40 Jahren so nicht gekannt haben. Die Staatsaversion, die Staatsphobie, die man mit dem sogenannten Neoliberalismus in Verbindung bringt, ist wie weggeblasen.

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Sie sehen das auch, wenn Sie das nach Gruppen aufschlüsseln, welche Gruppe ist am wenigsten einverstanden mit der augenblicklichen Situation und der Wiederkehr einer Staatlichkeit, die auch Direktionskraft hat. Interessanterweise die Mehrheit der AfD-Wähler ist gar nicht damit einverstanden, weil sie nämlich merken, dass ein großideologischer Anspruch, den sie erhoben haben, ihnen aus den Händen genommen wird. Es ist etwas sehr Interessantes.

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https://www.deutschlandfunk.de/soziologe-zu-coronakrise-werden-eine-rueckkehr-des-staates.694.de.html?dram:article_id=473427

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Freiheit in höchsten Nöten

Warum die Corona-Krise nicht zum Verfassungsnotstand stilisiert werden darf

Matthias Friehe
Sa 28 Mrz 2020

Matthias Friehe is qualification professor at the EBS University of Business and Law.


Innerhalb weniger Tage hat die Dynamik der Corona-Pandemie die Politik zu nie dagewesenen Freiheitseingriffen gezwungen: Gottesdienste wurden verboten, Grenzen geschlossen, Geschäfte dichtgemacht und inzwischen darf das Haus überhaupt nur noch mit Einschränkungen verlassen werden. Die FlattenTheCurve-Maßnahmen erschüttern unser Gemeinwesen. Noch im Februar entsprach es allgemeiner Meinung in den Medien, dass ein Lockdown wie in der chinesischen Provinz Hubei in westlichen Gesellschaften gar nicht denkbar sei….

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Plötzlich steht unser westliches Selbstverständnis infrage: Was unterscheidet uns noch von autoritären Regimen wie dem in China, wenn man nicht einmal mehr frei vor die Haustür treten darf? Mit voller Wucht erreichte diese Debatte in der vergangenen Woche auch das Verfassungsblog. Den Ausgangspunkt machte ein Beitrag von Hans Michael Heinig, der sich speziell mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Gottesdienstverboten befasste. Eine wie beiläufig eingestreute allgemeine Lageeinschätzung entfaltete in der letzten Woche ihre ganze rhetorische Kraft: „Ungern befände man sich in einigen Wochen in einem Gemeinwesen wieder, das sich von einem demokratischen Rechtsstaat in kürzester Frist in einen faschistoid-hysterischen Hygienestaat verwandelt hat.“ Damit hatte Heinig ein Stichwort geliefert, das zu einer der meistzitierten Wendungen auf dem Blog wurde. In engem Takt prasselten die Warnungen auf das Blog ein. So stellte Andrea Edenharter unter der Überschrift „Freiheitsrechte ade“ die Verhältnismäßigkeit von Ausgangssperren generell in Abrede, Uwe Volkmann sah sich zu staatstheoretischen Überlegungen über den Ausnahmezustand veranlasst und Thorsten Kingreen verlangte „eine andere Art von Präventionsarbeit (zu) starten: de(n) Schutz des Rechts“ – um nur eine kleine Auswahl zu zitieren.

Wenn die Rechtswissenschaft im Austausch mit Virologen und Epidemiologen aktuell nicht nur spezifisches über Corona-Viren, sondern auch strukturell etwas lernen kann, so ist es Transparenz gegenüber der Fehleranfälligkeit eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wenn wir unsere Erkenntnismöglichkeiten zur materiellen Rechtmäßigkeit einschneidender FlattenTheCurve-Maßnahmen kritisch überprüfen, müssen wir zugeben, vielfach nur spekulieren können. Die materielle Rechtmäßigkeit entscheidet sich nämlich regelmäßig mit der Subsumtion unter die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Im Kern geht es darum, ob die angewandten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck stehen. Bei der Beurteilung von Gegenmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie ergibt sich allerdings das Problem, dass wir viel mehr über das Gewicht der Freiheitseingriffe als über das Gewicht des verfolgten Zwecks wissen.

Welche Bedeutung Grundrechte wie die Freiheit der Person, der Schutz von Ehe und Familie, die allgemeine Handlungsfreiheit oder die Religionsfreiheit haben, darüber gibt es ganze (derzeit geschlossene) Bibliotheken und lang entwickelte Rechtsprechungslinien des Bundesverfassungsgerichts. Worüber wir aber derzeit noch sehr wenig wissen, was sich ständig ändern kann, ist das Gewicht des mit den Gegenmaßnahmen verfolgten Zwecks…

Demokratie vs. autoritärer Staat: Demokratische Verfahren machen den Unterschied

Juristen sind es gewohnt, dass sie Fälle trotz Unsicherheiten über den Sachverhalt entscheiden müssen. Selbstverständlich können alle Maßnahmen, die der Staat gegen die COVID-19-Pandemie unternimmt, einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Wir sind eben kein hysterischer Hygienestaat, sondern bleiben ein funktionierender Rechts(wege-)staat.

Vor allem aber darf nicht aus den außergewöhnlichen inhaltlichen Herausforderungen an Politik vorschnell auf einen Notstand der Verfassungsinstitutionen geschlossen werden. Hysterisch waren Überlegungen, in einer schnellen Verfassungsänderung den Gemeinsamen Ausschuss (Art. 53a GG) als Notparlament auch in Friedenszeiten zu etablieren (dagegen bereits Christoph Möllers). Bei allem Ernst der Lage ist die Funktionsfähigkeit des Bundestags nicht ernsthaft in Gefahr.

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https://verfassungsblog.de/freiheit-in-hoechsten-noeten/

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Deutschlandfunk

Das widerstandslose Aufgeben der Freiheit ist gefährlich

Von Vladimir Balzer

Vladimir Balzer ist Journalist und Moderator beim MDR

Jeden Tag, an dem Freiheitsrechte eingeschränkt sind, als Verlust wahrnehmen – das ist für Vladimir Balzer ein Teil des nötigen demokratischen Widerstands.


Und wir Bürgerinnen und Bürger nehmen einfach alles hin. Wir sind offenbar bereit, jeden erdenklichen Preis zu zahlen.

Man könnte jetzt einwenden: Ist doch nur ein paar Wochen. Ja, mag sein. Aber genau dieses Durchspielen einer geschlossenen Gesellschaft ist gefährlich. Allein die Möglichkeit, dass wir dieses freie, offene Land ohne Diskussionen und spürbare Widerstände einfach so lahmlegen, dass wir Grundrechte außer Kraft setzen, dass wir Menschen denunzieren, die es wagen, eine Runde im Park zu drehen, dass wir eine Zwangsgemeinschaft aufbauen – allein diese Möglichkeit, ist ein Spiel mit dem Feuer.

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https://www.deutschlandfunkkultur.de/coronavirus-das-widerstandslose-aufgeben-der-freiheit-ist.996.de.html?dram:article_id=472946

 

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ZEIT-online

Corona-Maßnahmen: Alle kontrollieren alle

Der da hält doch den Abstand nicht ein! Die neuen Corona-Regeln sind ein Fest für Blockwarte – und ein gigantischer Feldversuch in sozialer Gestaltung.

Von  Lenz Jacobsen

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https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-03/corona-massnahmen-kontrolle-kontaktsperre-denunziation

 

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