GENAU SO ISSES

Covid 12 ist besser als Covid 19 – Wie könnte ein Neunjähriger die Corona-Diskussionen erleben? Schüler der dritten Klasse sollten Sätze mit folgenden Wörtern bilden: Begegnen, bei, Beispiel, bekommen, belohnen, Berg, besiegen und besser.

Gegenentwürfe

Die informative Arbeit von“RUBIKON“ zeugt von  Engagement und dem Mut, anderen Stimmen, die vorauseilenden Mitläufern trotzen, ein Forum zu bieten.

PRANTL

Süddeutsche Zeitung

Warum meine Herzfrequenz steigt – Die Corona-Warn-App

Heribert Prantl

19.04.2020


Wahrscheinlich werden Sie sich noch im April, spätestens aber im Mai eine ganz besondere App auf Ihr Smartphone laden – eine Anti-Corona-App. Das geht ganz einfach: Beim nächsten Update tippen Sie auf Ihren Touchscreen und erklären so, dass Sie diese App wollen; und schon haben Sie sie, ganz freiwillig. Die Kanzlerin will das so, die Ministerpräsidenten wollen das so und die Virologen auch. Die Bundesregierung bezeichnet die Corona-Warn-App als „ganz zentralen Baustein“ für ihre Gesundheitspolitik.

Warum? Es sollen auf diese Weise Ihre Kontakte zu infizierten Menschen nachvollziehbar werden. Und wenn Sie selbst infiziert sind, sollen die Personen, mit denen Sie Kontakt hatten, möglichst schnell gewarnt werden. Dafür soll diese Anti-Corona-App sorgen. Und wozu sie dann noch genutzt werden kann, um den Alltag der Menschen zu regulieren – wer weiß?

Ein Heilsbringer namens Pepp-Pt
Die App hat einen komplizierten Namen. Sie heißt: „Pan European Privacy-Preserving Proximity Tracing“, abgekürzt „Pepp-Pt“. Die Sache selbst ist nicht so kompliziert wie der Name: Die App merkt sich, welchen anderen Menschen Sie länger und mit nur geringem Abstand begegnen – in Ihrer Wohnung, auf der Straße, im Supermarkt, in der S-Bahn oder sonstwo. Die App weiß natürlich nicht, wie der Mensch heißt, dem Sie begegnen; aber die App registriert das Smartphone, das dieser andere Mensch bei sich trägt. Die App, die Sie installiert haben, erschafft nämlich speziell für Sie eine individuelle Identifikationsnummer und sendet diese per Bluetooth in die Welt. Gleichzeitig sucht und findet Ihre App solche Signale, die von anderen Smartphones in Ihrer Nähe gesendet werden. Die Signale werden verschlüsselt gespeichert – und so wird eine ganze Liste von Identifikationsnummern der Menschen erstellt, die Ihnen nahe gekommen sind, Ihrer zufälligen Nahesteher.

Stellt dann ein Nutzer fest, dass er an Covid-19 erkrankt ist, übermittelt er die Liste, die auf seinem Smartphone gespeichert ist, an einen zentralen Server, der beim Robert-Koch-Institut, also einer Oberbehörde des Bundes steht. Um Missbrauch zu vermeiden, müssen die Gesundheitsbehörden diese Corona-Krankmeldung bestätigen. Sodann erhalten die Kontaktpersonen des erkrankten Menschen eine automatische Push-Benachrichtigung und werden aufgefordert, sich testen zu lassen oder sich in Quarantäne zu begeben. So wird einem diese App derzeit vorgestellt.

Gesundheitspolizeiliche Videokontrolle
Die Politiker werben für diese App, die Virologen auch. Die Datenschützer haben überwiegend nichts dagegen – vor allem deshalb, weil andere Anti-Corona-Apps, die auch schon in der Diskussion waren oder die in der Diskussion sind, noch viel massiver in die Privatsphäre eingreifen würden. Bluetooth Tracing mit Pepp-Pt gilt ihnen derzeit als die am wenigsten schlimme Anti-Corona-App. Dass auch das wenige Schlimme nicht unbedingt gut ist, traut sich kaum jemand zu sagen.

Es gibt in der Tat Schlimmeres – beispielsweise Überlegungen, die Quarantäne per Smartphone zu überwachen. Das würde dann so ähnlich funktionieren wie bei der elektronischen Fußfessel für Straftäter, die ihre Haftstrafe zu Hause in der Wohnung statt im Gefängnis absitzen dürfen. Weil man aber das Smartphone, um sich der elektronischen Kontrolle zu entziehen, einfach zu Hause im Schlafzimmer liegen lassen kann, gibt es – zum Beispiel in Hongkong – gesundheitspolizeiliche Kontrollanrufe per Video. Wollen wir das?

Spahns Wünsche
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wollte vor ein paar Wochen nicht nur ein Handy-Tracing, sondern ein Handy-Tracking ins Infektionsschutzgesetz schreiben – also nicht nur die Sozialkontakte, sondern auch die jeweiligen Aufenthaltsorte und Bewegungen eines Menschen via Smartphone registrieren, und zwar nicht auf freiwilliger, sondern auf gesetzlich verpflichtender Basis. Er wollte, dass der Staat Zugriff auf die Verkehrs- und Standortdaten der Smartphones von Corona-Infizierten hat. Nach heftiger Kritik verzichtete er vorläufig darauf, kündigte aber an, seine Idee weiter zu verfolgen.

Wie freiwillig ist eine Freiwilligkeit, die aus Angst geboren ist?
Die Anti-Corona-App, für die sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten und die Virologen so einsetzen, soll „freiwillig“ sein. Die Freiwilligkeit der Installation wird immer wieder betont – gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass das Ganze nur funktioniert, wenn möglichst alle Smartphone-Nutzer mitmachen, mindestens aber siebzig bis achtzig Prozent. Der soziale Druck, solche Apps zu nutzen, wird steigen. Man wird sich erklären müssen. Und der Druck im Freundes- und im Kollegenkreis wird aggressiv sein. Man wird bezichtigt werden, unsolidarisch zu sein und sich auf Kosten der anderen schadlos zu halten.

Ist das so? Wie freiwillig ist eine Freiwilligkeit, die aus Angst geboren ist? Und wie freiwillig ist eine Installation der App, wenn womöglich der Zugang zu bestimmten Orten davon abhängig gemacht wird, dass man sie hat? Was ist, wenn man nur noch mit App in die Kneipe kommt oder in den Zoo? Werden die Gerichte einen solchen Druck verbieten? Oder werden sie sagen: Das ist doch verhältnismäßig, das ist besser, als den Zoo oder die Kneipe ganz zuzusperren? Wie freiwillig ist die Installation der App, wenn die Alternativen Lockdown und Kontaktverbot sind?

Die App als Eintrittskarte
Womöglich läuft es, wenn die Apps erst einmal in ausreichender Zahl installiert sind, dann so, dass diese Apps als eine Art Eintrittskarte oder Passierschein fürs Restaurant, für den Fitness-Club, die Auto-Werkstatt oder den Gottesdienst funktionieren.

Der Berliner Rechtsanwalt Guido Meyer-Arndt entwickelt dazu folgendes Szenario: Solange Sie keine prekären Kontakte mit infizierten Personen haben, zeigt die Oberfläche Ihrer App ein grünes Blinken. Es ertönt dann kein Signal beim Betreten von S-Bahn, U-Bahn oder Omnibus. Sie können problemlos passieren. Im Verdachtsfall aber, wenn Sie länger mit infizierten Personen in Kontakt gekommen sind, werden Sie von Ihrer App gewarnt. Ihr persönlicher Status wechselt dann automatisch in „Verdachtsfall!“, auf den das Infektionsschutzgesetz anwendbar ist; es gelten die Meldepflichten, Sie werden in Quarantäne geschickt, müssen die GPS-Funktion Ihres Phones einschalten, um geortet werden zu können.

Außerdem schaltet Ihre App auf „Rot“, sie blinkt warnend. Bei der Begegnung mit allen Menschen, welche die Warn-App installiert haben, ertönt ein Warnsignal; und in Supermärkten, im Büro, im Öffentlichen Personennahverkehr, im Bahnhof und im Flughafen, im Gottesdienst und in der Volkshochschule … wird der Zutritt verweigert.

Man braucht dazu nicht außergewöhnlich viel Phantasie, denn so läuft es bereits in China.

Was die Corona-Krise bisher gelehrt hat
Ist das ein absurdes Szenario für Deutschland? Es ist jedenfalls nicht unplausibel. Die Politik schwört freilich Stein und Bein, dass so eine App nur dann erlaubt wird, wenn sie absolut sicher und grundrechtsverträglich sei – und wenn klar ist, dass die gespeicherten Daten nach gewisser Zeit rückstandslos gelöscht werden. Indes: Wenn die Corona-Krise bisher eines gelehrt hat, dann dies: Das Sichere ist nicht sicher. Und wenn die jahrzehntelange Erfahrung mit Überwachungsmaßnahmen etwas gelehrt hat, dann dies: Sie werden keinesfalls zurückgenommen, wenn die konkrete Gefahr vorbei ist; sie werden zumeist dauerhaft installiert und ihr Anwendungsbereich wird noch ausgeweitet.

Also: Ist es sicher, dass so eine App künftig nicht auch zur Bekämpfung einer gefährlichen saisonalen Grippe eingesetzt wird, mit dem Argument, dass die App doch bei Corona so gut funktioniert hat? Ist es sicher, dass so eine App künftig nicht auch nach einem Terroranschlag genutzt wird, um nach Gefährdern zu suchen? Ist es sicher, dass so eine Corona-Warn-App nicht der Anfang einer großen fürsorglichen Überwacherei ist?

Die prekäre Datenspende
Das Robert-Koch-Institut hat vor wenigen Tagen eine App veröffentlicht, in der Nutzerinnen und Nutzer ihre Daten aus Fitnesstrackern und Smartwatches freiwillig „spenden“ können. Diese Daten sind nicht irgendwelche Daten, sie sind hochsensibel: Es handelt sich zum Beispiel um die HRV-Daten, um die Heart Rate Variability, die Herzschlagraten. Man kann daraus Erkenntnisse für die Lungentätigkeit gewinnen; das ist für eine Behörde wichtig, die für den Infektionsschutz da ist. Die Herzfrequenz spiegelt aber auch alle Emotionen wieder.

Wenn ich mir vorstelle, dass die Daten aus der Anti-Corona-App und die Gesundheitsdaten aus Fitnesstrackern und Smartwatches zusammengeschaltet und kombiniert werden – dann steigt meine Herzfrequenz.



Süddeutsche Zeitung

Zwangspause für eine erschöpfte Gesellschaft

Heribert Prantl

06.04.2020


Es gibt Tage, an denen schon überholt ist, was gestern noch für undenkbar gehalten wurde. Wir erleben sie gerade: Schulen geschlossen, Kindergärten geschlossen, Theater geschlossen, Kirchen geschlossen, Museen geschlossen, Hotels geschlossen, Geschäfte geschlossen, Gasthäuser geschlossen; Grenzen geschlossen. Nicht für zwei, drei Tage, sondern für Wochen; vielleicht länger, wer weiß. Flugzeuge fliegen nicht mehr. Wie lang die Bahn noch fährt, weiß keiner. Was ist mit den Bussen? Was mit den U-Bahnen? Vielleicht schließen auch die Tankstellen. Das stoppt die Mobilität schnell und wirkungsvoll.

Das Sichere ist nicht mehr sicher

Das Sichergeglaubte hält nicht mehr. Das Sichere ist nicht mehr sicher. Was eigentlich Irrsinn ist, gilt als sinnhaft, ja als geboten, als alternativlos, als absolut notwendig, als noch nicht ausreichend. Corona und die Angst davor schaffen selbst das, was der Krieg nicht geschafft hat: Auch die Kirchen werden geschlossen. Hochzeiten fallen aus, Taufen fallen aus. Die Firmungen werden abgesagt und die Konfirmationen auch. Gestorben wird weiterhin, aber Beerdigungen dürfen nur noch im kleinsten Kreis stattfinden.

Wer über den Ausnahmezustand entscheidet

Der Ausnahmezustand lugt nicht mehr nur um die Ecke, er ist da. Politiker reden vom Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Zur Versorgung der Kranken? Zur Kontrolle von Verboten und Ausgangssperren? Zur Demonstration von Tatkraft? Angst ruft danach, dass etwas getan wird. Nein, nicht nur etwas, sondern alles: Repression, Prävention, alles miteinander und so viel wie möglich. Angst macht süchtig nach allem, was die Angst zu lindern verspricht.

Es gibt einen virologisch-publizistisch-politischen Verstärkerkreislauf, bei dem man noch nicht weiß, wohin er führt und wann er endet – und was er mit der Gesellschaft und der Demokratie macht. Wann wird aus der Demokratie eine Virolokratie? „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, heißt der berühmt-berüchtigte Satz des Staatsrechtlers Carl Schmitt, der seinerzeit die Weimarer Republik kaputtgeschrieben hat und der Antidemokraten heute noch immer fasziniert. Im Moment ist der demokratische Souverän, das Volk, mit allen Maßnahmen einverstanden. Es gibt fast schon Dankbarkeit, dass jetzt das Notwendige getan wird. Es gibt das große Wir-Gefühl: „Wir halten zu den Alten.“

Wachsame Demokraten und gute Virologen

Und wenn das Wir-Gefühl mit der Zeit zerbröselt? Muss dann mehr Kontrolle her? Mehr Überwachung? Mehr Polizei? Es wird, je länger die Krise währt, und wie lange sie währt weiß im Augenblick niemand, wachsame Demokraten genauso brauchen wie gute Virologen. Gesellschaft und Demokratie leben von dem und bestehen aus dem, was jetzt „Sozialkontakt“ heißt, und was jetzt rigoros vermieden werden soll – aus Gründen der Solidarität mit den von Corona besonders gefährdeten Menschen.

Die Experten versprechen, dass auf diese Weise viel ausgerichtet werden kann zur Vermeidung von Infektionen. Man muss aber auch fragen, was angerichtet wird, wenn Grundrechte und Grundfreiheiten stillgelegt und das gesellschaftliche Miteinander ausgesetzt werden. Wird die Corona-Krise zur Blaupause für das Handeln in echten oder vermeintlichen Extremsituationen? Dann wären die letzten Dinge noch schlimmer als die ersten.

Das Virus hat auch die Auseinandersetzung darüber infiziert

Ansteckend ist Corona und ansteckend ist die Angst davor. Und so erleben wir ein globales Experiment: Wie eine Gesellschaft funktioniert, wenn sie nicht mehr funktioniert. Es ist gespenstisch. Die Bilder von den leeren Straßen und Geschäften sind auch gespenstisch. Aber fast alle finden den virologisch-politisch-publizistischen Rigorismus gut – und wer ihn nicht gut findet, sagt es nur im kleinen Kreis. Das Virus hat auch die Auseinandersetzung darüber infiziert. Solidarität, das alte Wort der Arbeiterbewegung, das lang schon nicht mehr recht zog, ist jetzt das Zauberwort. Aber jetzt ist es der starke Arm der Virologen, der dies will: Alle Räder stehen still.

Die Sehnsucht nach dem Reset-Knopf

Warum funktioniert das so? Mag sein, dass der Corona-Stillstand auch die Sehnsucht vieler Menschen nach dem Reset-Knopf befriedigt und das Bedürfnis, in Ruhe gelassen zu werden. Einerseits sagt man zu all den Seuchenbekämpfungsmaßnahmen: „Das geht doch nicht.“ Andererseits gibt es das Gefühl: „Jetzt ist endlich Ruhe im Karton.“ Wir müssen auf einmal nicht mehr tun, was wir eigentlich tun müssten, wir sollen es sogar nicht mehr tun – und haben dafür eine solidarische Begründung. Corona verschafft einer überreizten, überforderten, erschöpften Gesellschaft eine Zwangspause. Wird die Gesellschaft daraus Lehren ziehen, wenn die Zwangspause zu Ende ist?

https://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-coronavirus-pandemie-1.4845298

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.TAZ

Corona und Demonstrationsrecht

Ruhe im Karton

Coronaverordnungen schränken politischen Protest ein. Auf die Gelegenheit, Versammlungen ganz zu verbieten, scheinen einige nur gewartet zu haben.

06.04.2020


In Frankfurt/Main wird eine Ansammlung von DemonstrantInnen im Rahmen des #LeaveNoOneBehind-Aktionstages zur Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager aufgelöst, obwohl sie penibel einen Zwei-Meter-Abstand zueinander einhalten. In Berlin unterbinden Polizisten sogar eine Auto-Demonstration.

Landesweit entfernt die Polizei im öffentlichen Raum angebrachte Protestplakate oder abgestellte Schuhe. Was sich die Protestierenden auch haben einfallen lassen, um dem Infektionsschutz gerecht zu werden und dennoch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrzunehmen, sie scheiterten an einer autoritär agierenden Ordnungsmacht.

Weder die OrganisatorInnen der Proteste noch andere vernunftbegabte Menschen haben infrage gestellt, dass Menschenansammlungen aufgrund der sich weiter ausbreitenden Coronapandemie derzeit verboten sind. Nur sind Demonstrationen oder Kundgebungen keine Ansammlungen wie jede andere, keine Grillparty im Park und auch kein Fußballspiel. Sie obliegen dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, Artikel 8.

Selbst gegen die Notstandsgesetze konnte 1968 noch demonstriert werden

Eine Einschränkung ist möglich, die gänzliche Abschaffung, wie man sie de facto derzeit auf den Straßen beobachten muss, jedoch ausgeschlossen. Dafür sorgt schon die im Grundgesetz enthaltene Ewigkeitsgarantie, die eine Antastung der Grundrechte untersagt. Inzwischen muss man trotzdem befürchten: Ewig war gestern.

Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik sind Grund- und Freiheitsrechte so massiv und flächendeckend eingeschränkt worden wie derzeit. Selbst gegen die 1968 beschlossenen Notstandsgesetze konnte noch demonstriert werden. Doch weil die nun verfügten Verbote vorgeblich der Rettung von Menschenleben dienen, ist die Bereitschaft in der Bevölkerung, diese mitzutragen, groß. In demütiger deutscher Tradition wird der imaginierten Allparteienkoalition, die in den Bundesländern für die Restriktionen verantwortlich ist, gefolgt. Dabei überschreiten die Landesregierungen mit den – noch nicht mal durch Parlamente abgesegneten – pauschalen Versammlungsverboten ihre Kompetenzen.

Es geht auch anders

Dass Verwaltungsgerichte in Hamburg und Berlin Eilanträge gegen die Demonstrationsverbote abgewiesen haben, heißt im Übrigen nicht, dass diese nicht rechtswidrig sind. Ein Grundsatzurteil fehlt. Dabei ist offenkundig: Der Versuch, per Verordnung, höher gestelltes (Versammlungs-)Recht oder gar das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuhebeln, ist nicht möglich.

Rechtlich haltbar sind dagegen Auflagen, die etwa die Beachtung des Infektionsschutzgesetzes vorschreiben. Zu Gesprächen über mögliche sichere Protestformen kam es aber in den erwähnten Fällen gar nicht erst. Versammlungsbehörde und Polizei scheint es ganz recht zu sein, sich auf die Position des Totalverbots zurückziehen zu können. Endlich ist Ruhe im Karton.

Es geht selbstverständlich auch anders, wie das Beispiel Bremen zeigt. Die dort erlassene Corona-Rechtsverordnung nimmt „öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen nach Art. 8 GG“ von einem Verbot aus. In Münster durfte – nach einer Klage vor dem Verwaltungsgericht – am Montag eine Kundgebung gegen einen Uranmülltransport stattfinden. Etwa 80 Menschen hielten sich dabei an die Auflagen; sie demonstrierten mit einem Abstand von mindestens 1,50 Meter zueinander und mit Atemschutzmasken – im Gegensatz zu den eingesetzten PolizistInnen.

 

https://taz.de/Corona-und-Demonstrationsrecht/!5674623/

 

 

MEDIZIN

Deutschlandfunk

Interview mit dem Palliativmediziner Matthias Thöns.

„Verletzung aller ethischen Prinzipien“

Der Palliativmediziner Matthias Thöns hat eine „sehr einseitige Ausrichtung auf die Intensivbehandlung“ von Patienten in der Coronakrise kritisiert. Er plädiert für eine bessere Aufklärung. Eine Intensivtherapie sei leidvoll und das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden stimme kaum.

Von Peter Sawicki

11.04.2020


Es gibt Fachleute, die diese Ausrichtung auf die Intensivbehandlung von Corona-Patienten kritisch sehen, und die vor ethischen Problemen warnen. Einer von ihnen ist Matthias Thöns, er ist Facharzt für Notfall- und Palliativmedizin in Witten in Nordrhein-Westfalen. Er hält die Ausrichtung der Politik auf die Intensivbehandlung von COVID-19-Erkrankten für einseitig.

Peter Sawicki: Herr Thöns, Sie sagen, dass eine ethische Katastrophe in Sicht ist. Was genau meinen Sie damit?

Matthias Thöns: Na ja, die Politik hat jetzt eine sehr einseitige Ausrichtung auf die Intensivbehandlung, auf das Kaufen neuer Beatmungsgeräte, auf Ausloben von Intensivbetten.

Wir müssen ja bedenken, dass es sich bei den schwer erkrankten COVID-19-Betroffenen, …, meistens um hochaltrige, vielfach erkrankte Menschen handelt, 40 Prozent von denen kommen schwerstpflegebedürftig aus Pflegeheimen, und in Italien sind von 2.003 Todesfällen nur drei Patienten ohne schwere Vorerkrankungen gewesen. Also es ist eine Gruppe, die üblicherweise und bislang immer mehr Palliativmedizin bekommen hat als Intensivmedizin, und jetzt wird so eine neue Erkrankung diagnostiziert und da macht man aus diesen ganzen Patienten Intensivpatienten.

 

„Es werden alle ethischen Prinzipien verletzt, die wir so kennen“

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Wir (können) tatsächlich nach einer chinesischen Studie nur drei Prozent der Betroffenen retten, 97 Prozent versterben trotz Maximaltherapie – so eine Intensivtherapie ist leidvoll, da stimmt ja schon das Verhältnis zwischen Nutzen und Schaden kaum.

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eine große Zahl von denen, die man rettet, nach zwei bis drei Wochen Beatmung, verbleiben schwerstbehindert. Und das sind Zustände, die lehnen die meisten älteren Menschen für sich ab. Also Eingriffe, die mit dem hohen Risiko einer bleibenden Schwerbehinderung einhergehen, die lehnen ältere Menschen eigentlich ab. Deshalb erreicht man eigentlich Therapieziele für diese Patienten nicht, das heißt, die Indikation ist schon fraglich.

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Wir wissen ja aus vielen Untersuchungen, dass die Beatmungszahlen in Deutschland explosionsartig zunehmen, und aus anderen Untersuchungen wissen wir, dass diese Willensermittlung nur bei vier Prozent der Beatmeten stattfindet.

In der Vergangenheit hat sich schon gezeigt, dass sich die hochpreisige Intensivmedizin in einen Bereich ausgedehnt hat, wo das die meisten Menschen für sich nicht wollen, und wir wissen aus Befragungen, dass Patientenverfügungen, die das relativ eindeutig ausschließen, oftmals nicht beachtet wurden.

Also von daher gibt es schon deutliche Hinweise, dass da Geld eine Rolle spielt, und wir wissen ja alle, dass Beatmungsmedizin extrem gut vergütet wird, da wird ein Tag zum Beispiel über 24 Stunden Beatmung teilweise mit über 20.000 Euro vergütet.

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Sawicki: Aber gleichzeitig werden ja auch viele andere Operationen aufgeschoben oder wurden aufgeschoben, die ja zum Teil auch eben die Krankenhäuser Geld kosten. Also gleicht sich das an der Stelle nicht wieder aus, wenn man jetzt mal auf den finanziellen Aspekt nur schaut?

Thöns: Auf den finanziellen Aspekt haben Sie natürlich recht, aber ethisch ist es natürlich eine Katastrophe, wenn man meint, jetzt Verluste durch die Einsparungen elektiver Operationen im Moment damit auszugleichen, dass man Menschen beatmet.

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Man muss natürlich gucken, dass die Leute nicht ersticken, man muss die natürlich vernünftig palliativmedizinisch behandeln. Atemnot zu lindern ist für einen Palliativmediziner, wie ich es bin, eben total simpel, das ist einfach möglich. Kein Mensch muss heute mehr ersticken. Also wir müssen die Menschen nicht beatmen, damit die nicht ersticken, sondern Palliativmedizin kann das sehr leidlos gestalten.

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Ja, man sollte die Patienten tatsächlich ehrlich aufklären, dass Intensivmedizin nur mit minimalen Rettungschancen bei hoher Leidenslast durch die Intensivmedizin einhergeht, und fragen, möchten Sie das so, möchten Sie isoliert von Ihrer Familie, getrennt, die nicht mehr sehen, am Lebensende beatmet auf einer Intensivstation liegen, oder möchten Sie vielleicht doch lieber mit dem Risiko, dass Sie das nicht überleben, zu Hause bleiben, gut leidensgelindert? Und ich sage Ihnen, die meisten alten Menschen werden diesen zweiten Weg gehen, wenn man denen das ehrlich sagt.

….

Sawicki: Gibt es in einer Krise, in einer Pandemie einwandfreies ethisches Handeln?

Thöns: Ja, wir versuchen das ja zumindest. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensivmedizin hat ja Rahmenbedingungen für diese schwierigen Triageentscheidungen auf den Intensivstationen veröffentlicht. Die sind ja ethisch schon ganz gut, muss man sagen, dass man eben nach Überlebenswahrscheinlichkeit dann einteilt.

Besser wäre natürlich, klar, wenn man von vornherein nur die Patienten mit dem Rettungsdienst in die Klinik bringt, die auch Intensivmedizin wollen. Und deshalb wäre die Entscheidung viel früher noch viel besser.

https://www.deutschlandfunk.de/palliativmediziner-zu-covid-19-behandlungen-sehr-falsche.694.de.html?dram:article_id=474488

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Frankfurter Allgemeine Zeitung

Interview mit dem Lungenfacharzt Thomas Voshaar.

„Es wird zu häufig intubiert und invasiv beatmet“

Beatmungsgeräte können in der Coronakrise Leben retten. Doch für die Lunge kann die invasive Behandlung gefährlich werden. Der Lungenfacharzt Thomas Voshaar über die Überlebenschancen von schwer erkrankten Covid-19-Patienten.

Von Rüdiger Soldt

06.04.2020


Thomas Voshaar ist Vorsitzender des Verbands der pneumologischen Kliniken und Chefarzt einer Lungenklinik und Gründer der Arbeitsgruppe Aerosolmedizin der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie

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Herr Voshaar, die Debatte über das Coronavirus beherrschen Virologen. Covid-19 geht aber häufig einher mit einer schweren beidseitigen viralen Lungenentzündung. Welche Kompetenz bringen die Lungenfachärzte in dieser Krise ein?

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Die eigentliche Erkrankung und ihre Behandlung ist die Domäne der Lungenärzte, nicht der Anästhesisten und Intensivmediziner. Pneumologen beschäftigen sich jeden Tag mit viralen und bakteriellen Lungenentzündungen. Es gibt kein Medikament gegen Covid-19, deshalb kommt es auf die klinische Erfahrung der Pneumologen an. Das ist von Öffentlichkeit und Politik noch unzureichend registriert worden.

Sie haben als Vorsitzender des Verbands der pneumologischen Kliniken und als Chefarzt einer Lungenklinik vor der leichtfertigen invasiven Beatmung von Covid-19-Patienten gewarnt. Warum?

Die Beatmung der Covid-19-Patienten, das frühe, vorschnelle Intubieren also, ist häufig medizinisch nicht gerechtfertigt. Vor der Corona-Krise gab es darüber unter den Kollegen keine Kontroverse. Jetzt führte die Ausbreitung der Pandemie in China sowie in Italien und Frankreich zu chaotischen Zuständen in den Kliniken. Die medizinischen Ressourcen waren begrenzt, und die Zahl der Covid-19-Patienten, die schnell versorgt werden mussten, war sehr groß. Chaotische Situationen sind in der Medizin immer schlecht. Für die längere Beobachtung eines Patienten und die Diskussion der Therapie ist im Chaos keine Zeit, deshalb ist häufig vorschnell intubiert, also invasiv beatmet worden. Wir Pneumologen hoffen, dass die Situation in Deutschland in den kommenden drei bis vier Wochen eine andere sein wird: Wir haben uns gut vorbereitet, wir wollen die Patienten geordnet aufnehmen und dann überlegt die Therapie einleiten.

Was heißt das für die Entscheidung, ob jemand beatmet wird oder nicht?

Für Patienten ist eine invasive Beatmung grundsätzlich schlecht. Selbst wenn das Beatmungsgerät optimal eingestellt und die Pflege perfekt ist, bringt die Behandlung viele Komplikationen mit sich. Die Lunge reagiert auf zwei Dinge empfindlich: Überdruck und eine zu hohe Sauerstoffkonzentration in der zugeführten Luft. Außerdem müssen Sie den Patienten bei einer Beatmung sedieren – Sie nehmen ihn aus der Welt. Er kann nicht mehr essen, trinken und selbständig atmen. Ich übernehme also die Totalkontrolle über den Organismus. Nur mit Überdruck kann ich Luft in die Lunge bekommen. Bei der Spontanatmung passiert das Gegenteil, die Luft gelangt durch Unterdruck in die Lunge. Das terminale Versagen der Lunge entsteht häufig durch zu hohen Druck und zu viel Sauerstoff. Es ist also immer besser, selbst zu atmen, deshalb schauen wir so kritisch auf die Beatmung.

Was heißt das für die klinische Therapie?

Von den beatmeten Covid-19-Patienten haben bislang leider nur zwischen 20 und 50 Prozent überlebt. Wenn das so ist, müssen wir fragen: Liegt das an der Schwere und dem Verlauf der Erkrankung an sich oder vielleicht doch an der bevorzugten Behandlungsmethode? Als wir die ersten Studien und Berichte aus China und Italien lasen, fragten wir uns sofort, warum dort so häufig intubiert wurde. Das widersprach unseren klinischen Erfahrungen mit viralen Lungenentzündungen.

Intensivmediziner halten dem entgegen, dass die Virusbelastung für Ärzte und das Pflegepersonal bei intubierten Covid-19-Patienten geringer sei.

Das ist unethisch. Wir können doch das Wohl des Patienten nicht dem Wohl des Personals unterordnen. Inhaltlich ist es auch unsinnig. Erfahrene Pneumologen und Intensivpfleger können die Aerosol-Belastung gering halten.

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Lungenfachklinik mit den ersten Covid-19-Patienten gemacht?

Wir haben Anfang April 29 Patienten behandelt und davon 19 schon entlassen, mittlere Liegezeit sieben Tage. In der Lungenklinik hier in Moers im Bethanien-Krankenhaus machen wir bei allen Patienten schon bei Aufnahme eine Computertomographie (CT) der Lunge. Alle hatten die charakteristischen beidseitigen Lungenentzündungen. Nur einen Patienten mussten wir intubieren, er kam mit schweren Grunderkrankungen. Wir haben zum Glück noch keinen Todesfall. Wir erheben umfangreiche Laborwerte und dokumentieren die Lungenentzündungen ausführlich mit Computertomographien. Typisch sind ein starker Mangel an Lymphozyten, schlechte Sauerstoffwerte und ein erhöhter Wert des Enzyms Laktat-Dehydrogenase. Das CT ist bei diesen schweren Fällen das entscheidende diagnostische Mittel, weit zuverlässiger als der Corona-Test. Wir mussten feststellen, dass es viele falsch-negative Tests gibt. Vielen Covid-19-Patienten konnten wir mit der Sauerstoffgabe durch die Nase und der nichtinvasiven Beatmung mit Atemmaske gut helfen. Natürlich müssen Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung sowie Herz- und Kreislauffunktionen eng überwacht werden. Damit uns nicht vorgeworfen wird, dass unsere Patienten nur überlebt haben, weil sie schwach erkrankt gewesen seien, dokumentieren wir den Krankheitsverlauf.

Sollten sich nicht Pneumologen und Intensivmediziner auf ein einheitliches Behandlungsschema verständigen?

Ja, unbedingt. Es fehlt zwischen Intensivmedizinern und Pneumologen ein Konsens darüber. Ich habe es den Intensivmedizinern angeboten. Im Übrigen haben auch die Chinesen, als die Zahl der neu Erkrankten rückläufig war, weniger intubiert.

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Wie bewerten Sie die Vorbereitungen der Bundesregierung und der Landesregierung auf eine stark steigende Zahl von schwerkranken Covid-19-Patienten?

Die Strategie, für schwer erkrankte Covid-19-Patienten jedes Krankenhaus der Grundversorgung leer zu räumen, halte ich für falsch. Besser wäre es gewesen, für die Covid-19-Patienten spezialisierte Häuser als Behandlungszentren einzurichten. Erst in einem zweiten Schritt, falls sich die Pandemie weiter ausbreiten würde, hätte man einen Plan B ausrollen sollen, nach dem weitere Krankenhäuser frei geräumt worden wären. Jetzt haben wir das Problem, dass sich viele Patienten mit anderen schwerwiegenden Krankheiten nicht mehr in die Notaufnahme trauen.

Was können Sie aus der Behandlung schwer erkrankter Covid-19-Patienten in China, Italien und auch Frankreich darüber hinaus lernen?

Die meisten Menschen sind dort außerhalb der Krankenhäuser gestorben, in Altenheimen und zu Hause. Außerdem helfen Kollegen aus allen Fachbereichen aus – Gynäkologen, Neurologen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Die haben mit Lungenerkrankungen aber keine Erfahrung.

Rechnen Sie mit einem exponentiellen Anstieg schwer erkrankter Patienten?

Wir werden über einige Wochen täglich zahlreiche schwer erkrankte Covid-19-Patienten aufnehmen müssen, aber mit einer Katastrophe rechne ich nicht. Allerdings will ich die Situation nicht verharmlosen. Diese Krankheit ist tückisch: Mir ist keine andere Lungenerkrankung bekannt, bei der Komplikationen und der zeitliche Verlauf so schwer kalkulierbar und variantenreich sind. Auch die CT-Bilder der Lungen fallen äußerst unterschiedlich aus. Eine systematische Einordnung des Krankheitsverlaufs fällt uns noch schwer.

Glauben Sie, dass es zu einer Triage ex ante kommen könnte?

Wenn man genug Zeit, Personal und Intensivbetten hat, müssen wir alles tun, um Triagen zu vermeiden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gut vorbereitet sind. Wir müssen auch in Alten- und Pflegeheime gehen, damit die Menschen dort die Gelegenheit bekommen, eine Patientenverfügung zu machen, damit wir wissen, wenn diese älteren Menschen zu uns kommen, wie stark wir intervenieren sollen. Das wäre eine Maßnahme, um Chaos zu vermeiden. Die Alten- und Pflegeheime sind die Orte, wo sich das Virus verheerend schnell ausbreiten kann, deshalb sollten wir dort viel testen und die Menschen besser schützen.

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/beatmung-beim-coronavirus-lungenfacharzt-im-gespraech-16714565.html?premium&service=printPreview

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MONITOR

Bericht: Golineh Atai, Lisa Seemann

02.04.2020

 

Im Eilverfahren beschloss der Gesetzgeber letzte Woche Änderungen des Infektionsschutzgesetzes. Damit stellte das Parlament eine

Zitat: „epidemische Lage von nationaler Tragweite“

fest. Also eine neue Form des Ausnahmezustands. Es überträgt weitreichende Befugnisse auf den Bundesgesundheitsminister. Er darf nun Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrats erlassen und Gesetze außer Kraft setzen. Damit werde die Gewaltenteilung weitgehend aufgehoben, warnen Kritiker. Und sehr viel Macht in die Hände eines Mannes gelegt.

Uwe Volkmann, Lehrstuhl für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Universität Frankfurt: „Zu dieser Regelung haben viele meiner verfassungsrechtlichen Kollegen Stellung genommen. Ich kenne niemanden, der diese Regelung für verfassungsmäßig hält. Es ist eine Regelung von einer Tragweite, wie sie bislang nur in der Weimarer Reichsverfassung gegeben war.“

Gerhart Baum (FDP), Bundesinnenminister a. D.: „Es sind praktisch zum Teil Blankovollmachten an die Regierung. Das ist nicht im Einklang mit Artikel 80 des Grundgesetzes, das ist verfassungswidrig. Natürlich muss die Regierung handeln, aber die parlamentarische Kontrolle ist unverzichtbar – jetzt wichtiger denn je. Und sie muss in kürzeren Abständen erfolgen, alle zwei Monate zwingend.“

Der vom Bundestag angepasste § 28 Infektionsschutzgesetz greift jetzt flächendeckend in den Schutzbereich elementarer Grundrechte ein. Unter anderem Artikel 2, die Freiheit der Person, die Versammlungsfreiheit, die Freizügigkeit, die Unverletzlichkeit der Wohnung. Ist dieser kollektive Grundrechtseingriff noch verhältnismäßig?

Uwe Volkmann, Lehrstuhl für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, Universität Frankfurt: „Wir sind konfrontiert mit einer so außerordentlich großen Gefahr, dass sie unser Vorstellungsvermögen sprengt. Das rechtfertigt außergewöhnliche Maßnahmen. Aber es rechtfertigt nicht alle Maßnahmen, und rechtfertigt sie nicht unbegrenzt, und rechtfertigt sie auch nicht auf unbegrenzte Dauer. Von irgendeinem Zeitpunkt an werden wir uns fragen müssen, ob die Einschränkungen, denen wir uns alle noch ausgesetzt sehen, um der Erreichung dieses Zieles willen gerechtfertigt sind.“

Stattdessen wachsen die Begehrlichkeiten. Der Bundesgesundheitsminister würde am liebsten personalisierte Handydaten nutzen, um Kontaktpersonen von Infizierten zu finden – weit mehr als eine freiwillige App. Sein Vorstoß wurde zwar aus dem Infektionsschutzgesetz gestrichen, ist aber längst nicht vom Tisch.

Prof. Gérard Krause, Leiter Epidemiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionskrankheiten Braunschweig: „Ich habe die Sorge, dass wenn so ein System erst mal etabliert ist, dass dann die Versuchung sehr groß ist, das auf andere Indikationen auszuweiten. Das ist aus meiner Sicht absolut nicht verhältnismäßig. Und wir haben ja diese Bürgerrechte über lange Generationen erarbeitet und die brauchen wir auch, um in unserer Gesellschaft so zu funktionieren, wie wir jetzt leben. Und wegen einer relativ kurzzeitigen Epidemie, wie wir sie jetzt haben, diese aufzugeben und dann nicht mehr einfangen zu können, das halte ich für ein sehr großes Risiko.“

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https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/corona-grundrechte-100.html

 

MEINUNGSKORRIDOR

In diesem Blog-Beitrag geht es darum, Wissen, Erfahrungen und Einschätzungen von Virologen, die in den Medien bisher wenig vertreten sind, vorzustellen. Es ist nicht beabsichtigt innerhalb dieses Beitrages eine Ausgewogenheit zwischen diesen Virologen und den Virologen rund um das Robert Koch Institut herzustellen. Es geht auch nicht  nicht darum, sämtliche Aussagen dieser Experten als ein weiteres Credo vorzustellen. Die Beiträge mögen zum selbstständigen Denken anregen, Aspekte beisteuern, Fragen aufwerfen, Hintergründe ausleuchten, Aktuelles in historische Zusammenhänge einordnen, vielfältige professionelle Expertise und Erfahrungen in die Diskussion einfließen lassen… Ein kleiner Beitrag dazu, den „Meinungskorridor“ (Bundespräsident Steinmeier) etwas zu verbreitern.

„Unter Diplomaten erzählt man sich die Geschichte vom Botschafter in einem schwierigen Land, der daheim seinem Minister Bericht erstatten soll. Der Minister fragt: Wenn Sie die Lage in Ihrem Land in einem Wort zusammenfassen sollten, welches wäre das? Der Botschafter überlegt und sagt: Gut. Das hatte der Minister nicht erwartet, er hakt nach. Und was, wenn Sie die Lage in zwei Worten zusammenfassen sollten? Der Botschafter sagt: Nicht gut.“ (Aus der Rede von Außenminister Steinmeier vom 14. 11.2014)


Transparency.de

Zitat

„Transparency Deutschland weist die pauschale Kritik des Vorstandsmitglieds Dr. Wolfgang Wodarg an den staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus zurück. Transparency Deutschland orientiert sich im Umgang mit dem Corona-Virus an den auf umfassender wissenschaftlicher Expertise beruhenden offiziellen Einschätzungen und Handlungsempfehlungen. Das Infragestellen dieser Maßnahmen führt zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung, die den realen Gefahren des Virus nicht gerecht wird. Wolfgang Wodarg äußert sich in dieser Sache als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Vorstandsmitglied.“

17.03.2020


Was war passiert?

 

 

Dr. Wolfgang Wodarg hat sich kritisch in frontal 21 – ZDF und anderen Videos zu Corona und den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus geäußert. – Es folgten Häme und Kritik. Selten indes, indem man sich mit den Argumenten auseinandersetzte. Schon allein das Infrage stellen der Erklärungsmodelle und der Maßnahmen wird diffamiert, denn so viel Transparenz in der wissenschaftlichen Diskussion ist dann von Transparency Deutschland doch nicht erwünscht,

Nicht nur von Transparency, sondern beispielsweise auch von zwei Journalistinnen, Desiree Fehringer und Carla Reveland, die Wodarg in eine Reihe mit Verschwörungstheoretikern stellen. Ein eindrucksvolles Beispiel schlechter journalistischer Arbeit, wie sie zur Zeit fast omnipräsent ist (https://www.youtube.com/watch?v=3duErFbfFM0&t=943s).

Nicht anderes verhält es sich mit der Kritik von correctiv unter der Überschrift „Warum die Aussagen von Wolfgang Wodarg wenig mit Wissenschaft zu tun haben“. Nicht eines der Argumente von Wodarg wird entkräftet, sondern seinen Argumenten fast wahllos andere Aspekte gegenüber gestellt, die alle irgendwie etwas damit zu tun haben, ihn aber nicht widerlegen. Da es mir an dieser Stelle nicht vorrangig um Kritik geht, sondern darum, moderate und reflektierte Stimmen zu sammeln, lasse ich es bei dem Link auf den Beitrag bewenden. So kann sich jeder selbst ein Bild machen (https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2020/03/18/coronavirus-warum-die-aussagen-von-wolfgang-wodarg-wenig-mit-wissenschaft-zu-tun-haben).

Ich persönlich kann nur den Kopf schütteln über die Berichterstattung und die ewig gleichen Mainstream-Kommentare in deutschen Medien, besonders in ARD- und ZDF-Nachrichten. Es gibt Ausnahmen? Sicher. Aber viel zu wenige. – Zu denen Stimmen, die nicht einer „Hygienediktatur“ (s. Verfassungsblog.de) das Wort reden, gehört die von Herbert Prantl ( (Süddeutsche Zeitung), die Sie demnächst in einem weiteren Blog-Beitrag finden werden.

 

Der Konformitätsdruck IN den Köpfen der Journalisten

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In der oben erwähnten Rede sagt Frank Steinmeier:

„Wir brauchen sie, die kritischen, fundierten, relevanten Berichte. Nur mit Texten und Recherchen, die durchdringen und nachwirken, kann die Presse ihrer Wächterrolle gerecht werden….

Wichtiger ist vielleicht noch, sich auf das Fundament Ihres Erfolgs zu besinnen: Qualität, Relevanz und Vielfalt. Setzen Sie die richtigen Prioritäten. Das heißt: Journalismus zuerst!

Vielfalt ist einer der Schlüssel für die Akzeptanz von Medien. Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer einzelnen Meinung ausgesetzt sind. Reicht die Vielfalt in Deutschland aus? Wenn ich morgens manchmal durch den Pressespiegel meines Hauses blättere, habe ich das Gefühl: Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen. Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch….

Das Meinungsspektrum draußen im Lande ist oft erheblich breiter….

Als Leser und als Politiker wünsche ich mir klare Worte meiner Zeitung. Ihr Urteil sollte aber auch fundiert sein, und es sollte am besten noch ein erkennbar eigenes Urteil – und unterschieden von der Nachricht – sein. Ich will nicht den Eindruck haben, dass alle das Gleiche schreiben, das macht misstrauisch…

Ich glaube fest, dass mündige Bürger sich für differenzierte Berichterstattung interessieren und auch bezahlen.“

https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/141115-rede-bm-anlaesslich-verleihung-lead-awards/266898

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Zustimmung

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Öffentliche Zustimmung erfährt Wodarg nun von zunehmend mehr Virologen. In der Monitor-Sendung vom 02.04.2020 sagt Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Epidemiologie am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung  in Braunschweig, über Wodarg:

„Ein Großteil seiner Aussagen sind fachlich unstrittig. Ganz problematisch ist seine Schlussfolgerung, dass es sich hier nicht um ein Problem handelt, sondern dass es nur ein Wahrnehmungsproblem ist. Und das ist definitiv nicht der Fall.“

Wolfgang Wodarg könnte sich sicherlich vorsichtiger und gewählter ausdrücken, um Missverständnissen vorzubeugen. Er sagt allerdings nicht, dass es sich bei dem Coronavirus nicht um ein Problem handelt. Er wird nur nicht müde zu betonen, dass das Coronavirus nicht gefährlicher ist als andere Grippeviren.

Sympathisch ist, dass Krause zwischen fachlich richtigen Aussagen und Schlussfolgerungen unterscheidet. Eine gedankliche Unterscheidung, die man sich in der heutigen Zeit öfter wünschte.

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Weitere interessante und kritische Stimmen

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PROF. HENDRIK STREECK – Virologe und Direktor des Instituts für Virulogie der Universität Bonn

Unsere Grenze ist die Kapazitätsgrenze der Krankenhäuser. Es ist nicht die Anzahl der Infizierten.

01.04.2020

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PROF. DR. CARSTEN SCHELLER – Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Würzburg

Das bisher schlimmste Influenzajahr in der jüngeren Geschichte in Deutschland war der Winter 2018. Da ist es so gewesen, dass innerhalb eines Zeitraumes von 8 Wochen ungefähr 25.000 Menschen in Deutschland gestorben sind. Und wenn man sich das jetzt mal so vorstellt mit einer medialen Begleitung, wie sie heute beim Coronavirus üblich ist …

29.03.2020

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PROF. DR. CARSTEN SCHELLER – Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Würzburg

Kriegen wir italienische Verhältnisse oder spanische? Davon gehe ich nicht aus, weil unsere Krankenhäuser sehr viel besser sind. .. Mehr Intensivbetten … ganz andere Krankenhaushygiene. Diese sogenannten nosokomialen, also in Krankenhaus übertragenen Infektionen, sind bei uns sehr viel seltener als in Italien und Spanien. Bei uns klappt das Hygienemanagement sehr viel besser in den Krankenhäusern.

Die Todesraten sind völlig vergleichbar mit denen von Grippe

26.03.2020


PROF. DR. STEFAN HOCKERTZ – Immunologe und Toxikologie

 

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EUROMOMO

Robert Koch Institut

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EPIDEMIOLOGISCHE SURVEILLANCE

Weiterlesen

DEJA VU

Ein Beitrag von arte ans dem Jahr 2009 zur Schweinegrippe. Auch, wenn hier der Fokus auf der Pharmaindustrie liegt, so gibt es doch erstaunlich viele Parallelen zu Umgang und Hintergründen mit der heutigen Virusepidemie.

Das Video findet man auf YouTube „Profiteure der Angst – arte 2009„.

Ein Kommentar dieser Tage zu dem Video war:

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Da vergisst man ja, ob über Schweinegrippe oder Corona berichtet wird. Aber Prof. Dorsten sieht so viel jünger aus, dass die Zweifel wieder zerstreut werden😀

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Zu den kritischen Anmerkungen in der arte-Dokumentation zu der WHO sei hier noch ergänzend verwiesen auf einen Artikel aus der Zeit vom 04.04.2017

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Der heimliche WHO-Chef heißt Bill Gates

Die wichtigste Organisation der Weltgesundheit, die WHO, hat ein Problem: Sie ist pleite und deshalb auf Spenden angewiesen. Verliert sie darüber ihre Unabhängigkeit?
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https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2017-03/who-unabhaengigkeit-bill-gates-film

 

IDEAS WORTH SPREADING

Auf dieser Seite finden Sie kritische und sehr differenzierte Stimmen von Staatsrechtlern, Soziologen, Politologen, Journalisten, Kabarettisten, Wissenschaftlern. Es ist eine Auswahl aus ihren Beiträgen, von denen jeder Einzelne lesenswert und in seiner Gesamtheit ausgewogener ist, als diese Auswahl hier suggeriert.

Man kann sich den Verlinkungen folgend ein vollständiges Bild der einzelnen Beiträge machen.

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STIMMEN

IDEAS WORTH TO BE REFLECTED


 

Spiegel-Interview

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Die Zahlen sind vollkommen unzuverlässig

Gerd Antes ist Statistikexperte und Professor an der Medizinischen Universität Freiburg. Seit vielen Jahren setzt er sich dafür ein, dass medizinische Entscheidungen auf der Basis gesicherter Fakten getroffen werden. Er war Mitgründer des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin und bis 2018 Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums, das Übersichtsarbeiten zu medizinischen Fragestellungen erarbeitet.

31.03.2020


SPIEGEL: Herr Antes, Sie gelten als der Medizinstatistik-Experte in Deutschland. Wie gefährlich ist das Coronavirus aus Ihrer Sicht?

Antes: Wenn ich das wüsste.

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(Wir) wissen .. nicht, wie tödlich das neue Coronavirus im Vergleich zur Grippe ist und wie viel schneller genau es sich ausbreitet.

Es gibt zwei enorme Probleme mit den Zahlen: Wir wissen nicht, wie viele Menschen sich bislang mit dem neuen Coronavirus infiziert haben und wie viele jeden Tag hinzukommen. Außerdem ist unklar, wie viele Menschen ursächlich an einer Infektion sterben.

Wie viele Menschen sich tatsächlich infizieren, wissen wir dagegen nicht. Die Schätzungen variieren extrem. So eine Streuung ist ein sicheres Zeichen, dass niemand auch nur ungefähr weiß, wo die Wahrheit liegt.

 

SPIEGEL: Und die Zahl der Corona-Toten?

Antes: Entscheidend ist, wie die Todesfälle gezählt werden. Derzeit gilt im Prinzip jeder Tote, der mit dem Virus in Verbindung steht, als Corona-Todesfall. Die Wahrheit ist deutlich komplexer, denn viele von denen, die jetzt am Coronavirus sterben, wären möglicherweise auch ohne das Virus gestorben, aber später. Nehmen wir etwa eine Person, die schwer herzkrank ist. Wenn sie sich nun mit dem Coronavirus infiziert und stirbt, war dann das Herzleiden entscheidend oder das Virus? Stirbt jemand am oder mit dem Virus? Das lässt sich kaum auseinanderdividieren. 

Große Testreihen erlauben einen besseren Überblick. Allerdings kann man die Zahlen dann nicht mehr mit den derzeit nachgewiesenen Fällen vergleichen. Wenn in Deutschland plötzlich viel mehr getestet wird, findet man zwangsläufig auch mehr Infizierte. Ob sich wirklich mehr Menschen angesteckt haben, weiß man dann aber nicht.

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Wir müssen sehr regelmäßig, vielleicht jede Woche, einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt auf Infektionen untersuchen. Dafür sind sehr viele Tests nötig. … Aus dem Anteil der Infizierten in einer solchen Stichprobe lassen sich genaue Rückschlüsse auf die Gesamtsituation ziehen. Damit wird es deutlich leichter, abzuschätzen, ob oder wie die Zahl der Neuinfektionen steigt oder abnimmt …

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https://bit.ly/2WYKSIe


Verfassungsblog.de

EDITORIAL

Sancta Corona, ora pro nobis

Maximilian Steinbeis
Fr 27 Mrz 2020

Maximilian Steinbeis is a legal journalist and writer and the founder and chief editor of Verfassungsblog. His recently appeared book (with Stephan Detjen) is „Die Zauberlehrlinge. Der Streit um die Flüchtlingspolitik und der Mythos vom Rechtsbruch“.


Noch ist die Corona-Krise gar nicht so richtig da, in Deutschland zumindest. Wir sitzen ausgangsbeschränkt und netflixbetäubt in unseren Wohnungen, draußen glänzt der Frühling wie lackiert, die Mutter eines Freundes der Schwägerin soll angeblich Symptome haben. Alles ist wie immer und alles ist anders. Noch keine Triage in Deutschland, anders als im Elsass. Noch dürfen wir joggen gehen. Noch reicht das Klopapier. Noch sind wir selbst nicht krank.

Voll ausgebrochen, das wird man wohl sagen können, ist dagegen die Krise des Rechts- und Verfassungsstaates. Dass es für die Ausgangssperre im Moment ihres Erlasses in Deutschland keine vernünftige Rechtsgrundlage gab, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass der Versuch am Mittwoch im Bundestag, das zu ändern und das Infektionsschutzgesetz der Notlage anzupassen, verfassungsrechtlich ein totaler Wahnsinn ist, ebenfalls. Die Krise hat sämtliche Ebenen des Rechts- und Verfassungsstaates befallen, vom einfachen Gesetzesvorbehalt bis zur Geltung der Verfassung in der „Stunde der Not“ generell. Und wenn bereits diese Feststellung von manchen als pedantischer Juristenkram, als unsolidarisch oder gar als verantwortungslos skandalisiert wird, dann scheint mir dies nur ein um so deutlicheres Symptom dafür zu sein, wie schwindelerregend hoch die Körpertemperatur bereits gestiegen ist.

……

Das gilt ebenso sehr für die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, die im neuen § 5 IfSG geregelt ist. Bundesgesundheitsminister Spahn schneidert sich hier Kompetenzen auf den Leib, die dem Verfassungsjuristen die Augen aus den Höhlen treten lassen: nicht nur eine Art „Bundesgesundheitspolizei“ (§ 5 Abs. 2 IfSG), sondern das Recht, „durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von den Vorschriften dieses Gesetzes“ zu erlassen. Jetzt lassen wir also Herr Spahn nach eigenem Gutdünken bestimmen, ob das, was der Gesetzgeber geregelt hat, noch gilt oder nicht?

….

Verfassungsänderung ein „Notparlament“ einzuführen – ein Plan, dem der besagte CHRISTOPH MÖLLERS gleichfalls energisch den Unterschied zwischen einem militärischen Notstand und einer Naturkatastrophe entgegen hält: Der technischen Herausforderung, den Bundestag auch ohne hunderte in der Enge des Plenarsaals durcheinanderwuselnde Abgeordnete arbeitsfähig zu halten, sei auf der Ebene der Geschäftsordnung zu begegnen, nicht auf der des Grundgesetzes. „In Zeiten starker Exekutiven haben die Parlamente in Bund und Ländern die Pflicht, ihre Handlungsfähigkeit sicherzustellen, ohne sich dabei selbst in Frage zu stellen.“

 

Am Mittwoch war viel Feierliches zu hören darüber, wie der Bundestag sich bewährt habe in der Stunde der Not, und ich will das auch gar nicht in Abrede stellen. Aber noch feierlicher wäre mir zumute, wenn er nicht so einen Unfug beschlossen hätte. ….

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https://bit.ly/2JobxGH

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New York Times

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Forced to make the impossible choice between wealth and health, we could end up with neither.

By Spencer Bokat-Lindell.

March 24, 2020


What if we just didn’t ?

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As the country tallies up the economic cost of its first week of fighting the coronavirus pandemic — potentially millions of job losses, a plunging stock market and apprehensions of another Great Depression — an unspeakable thought has become a whisper, and the whisper an all-caps tweet: What if we just didn’t?

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Today, President Trump said he wanted to lift restrictions by Easter despite the warnings of public-health experts, fueling a debate about the right balance between saving lives and saving the economy. Are we striking it? Here’s what public-health experts, economists and journalists are saying..

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Is ‘the cure’ worse than the problem?

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No society can safeguard public health for long at the cost of its overall economic health, The Wall Street Journal’s editorial board writes. Resources to fight the virus aren’t limitless, the board says, and the costs of this national shutdown will soon cause “a tsunami of economic destruction” that will cause tens of millions to lose their jobs.
We don’t have enough reliable data about the disease’s fatality rate to be making such drastic economic sacrifices, John Ioannidis, a Stanford epidemiology professor, argues at Stat. What would happen, he asks, if we simply let the disease run its course? Even in the most pessimistic scenario, the coronavirus would kill about 40 million people worldwide, roughly matching the 1918 flu pandemic. But afterward, he says, life would hopefully continue, as it did after the flu. Conversely, the short-term and long-term consequences of an economic shutdown are entirely unknown, and billions, not just millions, of lives could be put at stake.
A better way to fight the pandemic is to isolate the most vulnerable, David L. Katz argues in The Times. He suggests the United States focus its resources on testing and protecting the elderly, people with chronic diseases and the immunologically compromised. By keeping a smaller portion of the population at home, he contends, most could return to life as usual and prevent the economy from collapsing.
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Between the economy and public health, a false choice?

.https://www.nytimes.com/2020/03/24/opinion/coronavirus-economy-social-distancing.html

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Dieter Nuhr im Ersten 26.03.2020

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95 % der Deutschen befürworten ein Kontaktverbot. Das kann ich persönlich nachvollziehen. Ich möchte auch mit 95 % der Menschen keinen Kontakt. 10 % sind ansteckend, 30 % riechen, 40 % reden einen Scheißdreck daher und der Rest ist sehr schlecht angezogen. …

Und da merkt man schon: Das Problem bei Corona sind gar nicht die Fragen, sondern die Antworten. Es gibt nämlich viel mehr schlechte Antworten als gute Fragen. Und für so wenig Antworten, wie wir haben, gibt es erstaunlich viel Handeln. Und ich weiß nicht, ob das, was gerade weltweit angerichtet wird, gut ist. Nämlich der globale Lock-down. 2,6 Milliarden Menschen befinden sich gerade im Hausarrest, was in der Folge den Kollaps der globalen Wirtschaft bedeutet. Und ich glaube, viele begreifen noch nicht, was das bedeutet und sind beleidigt, wenn man sagt, es geht auch um die Wirtschaft. Weil viele Menschen meinen, es sollte um die Menschen gehen. Nicht um die Wirtschaft. Das war schon vor Corona nicht unbedingt der schlauste Satz. Denn Wirtschaft ist die Grundlage unseres Überlebens. Und weil die Wirtschaft das bereit stellt, was uns das Leben erst ermöglicht. Als da wären: feste Nahrung, Klopapier und Katzenstreu…

Egal, ich weiß jedenfalls nicht, ob es sinnvoll ist, mit dem Wirtschaften komplett aufzuhören. Ich weiß es wirklich nicht. Und das ist auch nicht schlimm, dass ich das nicht weiß. Ich fürchte nur, dass die, die den Schaden anrichten: Die wissen das auch nicht. – Ja bitte, das bleibt jetzt unter uns. Ich habe das Gefühl, bei uns wird nicht gehandelt, weil man etwas weiß, sondern damit nachher niemand sagen kann, man hätte nichts getan. Und dann tut man eben das äußerst Mögliche, um nachher nicht schuld zu sein.

Und kein Mensch weiß gerade, wo das endet. Und ich weiß es auch nicht. Woher soll ich denn wissen, was richtig ist. Ich kenne mich mit Witzen aus. So ein Viruloge kennt sich mit Viren aus, Polizisten mit Verbrechern. Jeder kennt sich irgendwo aus. Weshalb eben nicht die Polizisten die Virulogen und die Komiker regieren, sondern eben der Wähler. Also alle. Alle, die eigentlich im Wesentlichen nichts wissen. Alle, die nichts wissen, entscheiden also über alles, weil das Nichtwissen in der Menge kulminiert. .. und deshalb entscheiden also jetzt die Virulogen. Die wissen wenigstens ein bisschen. Und deshalb haben wir jetzt die Diktatur des Virulogiats. Und weil die Virulogen keine Wirtschaftsexperten sind, bleibt die Wirtschaft auf der Strecke. Vielleicht sollte man auch mal die Wirtschaftsexperten entscheiden lassen, dann bleibt vielleicht das Virus auf der Strecke. Man weiß es nicht. Vielleicht bräuchten wir vielleicht auch mal wieder einen König. Der ist auch nicht schlauer, aber er wirkt wenigstens würdevoll.

Ich bin gespannt, wie lange es so weiter geht. Es sind ja nicht nur Idioten, die sich inzwischen trauen, ein bisschen Kritik an der kompletten Zerschlagung der Wirtschaft anzumelden. Die weltweite Coronataktik wird ja zunehmend auch kritisch beäugt. Hier die New York Times beispielsweise fragt: Wenn fast 100 % der Toten sehr alte Menschen mit Vorerkrankungen sind, wann isoliert man nur noch die mit hohem Risiko, nämlich Alte und sehr Kranke, und schützt sie dadurch und sorgt bei den anderen für Herdenimmunität durch Ansteckung? Und bringt dadurch die Seuche dann zum Abflauen. Der Vorschlag in der Times kommt immerhin vom Yale University Prevention Research Center. Das ist jetzt nicht Christian Drosten, ich weiß, aber immerhin…

Ich weise darauf hin, dass eine kollabierende Weltwirtschaft weit mehr Menschleben kosten könnte als eine Pandemie. Könnte!… Ich weise ja nur darauf hin. Schon Hinweise führen  ja im Internet schon mal schnell zu einer einstweiligen Hinrichtung. Was den Ideenwettbewerb auch nicht gerade fördert in diesen Tagen.

Egal, in diesen ansteckenden Zeiten will ich gar kein Influenza sein. Maximal Coronist sein.

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Verfassungsblog.de

Bitte keine Alternativlosigkeit

Michael Meyer-Resende
Sa 28 Mrz 2020

Michael Meyer-Resende is a lawyer (LL.M. Bruges) who worked in the OSCE, the BBC and the European Commission before co-founding the NGO Democracy Reporting International (DRI). He serves as DRI’s Executive Director.


Ein Gespenst geht wieder um in Deutschland: Die Alternativlosigkeit. Innemminister Seehofer erteilte am 26. März Überlegungen eine Absage, aus wirtschaftlichen Gründen die strengen Ausgehbeschränkungen vorzeitig wieder zu lockern: „So lange das Virus so wütet, ist der Schutz der Menschen alternativlos“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Mit anderen Worten, auch im Notstand regiert der Sachzwang. Diese Haltung widerspricht fundamental dem nun oft zitierten Wort Carl Schmitts, dass souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. Es ist eigentlich auch das Gegenteil der vielbeschworenen „Stunde der Exekutive“. Wo es nur Sachzwang ohne Alternativen gibt, kann man das Regieren dem Verwaltungsapparat oder den Experten überlassen.

Beide Pole der Debatte sind fatal, weil sie undemokratisch sind….

Das Feiern der quasi-freien Entscheidungsgewalt der Exekutive, nach dem Motto „endlich ohne Beschränkungen und viel Debatten durchregieren“, ist ebenso undemokratisch. Das Parlament funktioniert und spielt weiterhin eine wesentliche Rolle. Es darf sich nicht selbst verzwergen. Die CDU/CSU Fraktion hielt es nicht für nötig eine Fraktionssitzung – online oder offline – über das größte Hilfspaket der deutschen Geschichte abzuhalten; ein schlechtes Zeichen. Christoph Möllers hat hier die gesetzgeberischen Konturen der „Selbstentmächtigung“ des Parlaments aufgeführt.

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Es wäre fatal, wenn die Diskussion über die nächsten Schritte nicht heftig geführt wird, sondern mit dem Argument der Alternativlosigkeit sediert wird. Flatten the curve ist ein Slogan, der jetzt eine abgewogene Debatte erstickt. Die Bundeskanzlerin sagte in ihrer Ansprach vom 18. März „jedes Leben zählt“. Auch diese Aussage vernebelt den Kern des Problems. Jeder demokratische Staat trifft Kosten-Nutzen Abwägungen über Leben und Sicherheit seiner Bürger. Der Gesetzgeber könnte zum Beispiel automatische Brems-Assistenten in allen Autos vorschreiben, damit würden auf jeden Fall Menschenleben gerettet – aber Autos würden sehr viel teurer werden.

Die starke Beschneidung des öffentlichen Lebens ist eine extreme Maßnahme, um einer extremen Gefahr zu begegnen. Die Gefahr ist systemischer Natur – die Überlastung und der mögliche Zusammenbruch unseres Gesundheitssytems. Dabei geht es um eine quantitative Größe, den möglichen Tod sehr vieler Menschen. Ginge es um jedes einzelne Leben, müsste in der Tat, wie Kritiker anmerken, das Land bei jeder Grippe-Welle auf die Vollbremse treten oder sofort Tempo 100 auf den Autobahnen einführen.

……

Natürlich wird es auch auf die genaue Entwicklung der Fallzahlen ankommen, aber es gibt keinen wissenschaftlichen Automatismus zwischen den Fallzahlen und den dazu passenden Maßnahmen. Wissenschaftler beraten und informieren über medizinische und wirtschaftliche Aspekte, Politiker wägen ab, entscheiden und übernehmen die Verantwortung.

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https://verfassungsblog.de/bitte-keine-alternativlosigkeit/

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Deutschlandfunk

Soziologe zu Coronakrise

„Werden eine Rückkehr des Staates erleben“

Seit 2000 lehrt Heinz Bude als Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Bude ist Mitglied und seit 2004 im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.

Er gehört zu den Initiatoren der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.


Bude: Es ist sicher so, dass bestimmte Grundprinzipien der offenen Gesellschaft eingeschränkt worden sind – etwa ein Grundelement, das wir selbstverständlich in Anspruch nehmen, nämlich die Bewegungsfreiheit. Es kommt noch hinzu, dass man möglicherweise, wenn Sie etwa positiv getestet werden, eine starke Einschränkung erfahren müssen, insofern Sie sich in eine wohl definierte Isolationssituation begeben müssen, dass das von Ihnen verlangt wird. Das ist eigentlich ungeheuerlich. Das ist mehr, als man in Kriegszeiten von Ihnen verlangt hat, wo man – die älteren Generationen wissen das noch – in den Luftschutzkeller geflüchtet ist, aber man ist ja selber geflüchtet und man hat das selber auf eigene Initiative hin getan. Möglicherweise – und es wird sicher so sein –, dass es auch Isolationsaufrufe und Anordnungen geben wird für Leute.

Das zweite Problem sicherlich ist das Problem, was jetzt auf dem Tisch ist: die Nutzung von Bewegungsdaten. Das heißt, dass bei Leuten, die sich isolieren sollen, auch darauf geachtet wird, dass sie das auch tun, durch eine digitale Steuerungsmöglichkeit und Überwachungsmöglichkeit. Das sind alles schwerwiegende Einschränkungen. Interessant auch da finde ich, dass es eine hohe Zustimmung offenbar bei den Leuten im Augenblick dazu gibt und ich auch den Eindruck gewinne, dass für viele erst mal sogar eine positive Deutung der Lage daraus folgt.

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Es gibt eine neue Akzeptanz von Staatlichkeit, wie wir das, glaube ich, in den letzten 30, 40 Jahren so nicht gekannt haben. Die Staatsaversion, die Staatsphobie, die man mit dem sogenannten Neoliberalismus in Verbindung bringt, ist wie weggeblasen.

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Sie sehen das auch, wenn Sie das nach Gruppen aufschlüsseln, welche Gruppe ist am wenigsten einverstanden mit der augenblicklichen Situation und der Wiederkehr einer Staatlichkeit, die auch Direktionskraft hat. Interessanterweise die Mehrheit der AfD-Wähler ist gar nicht damit einverstanden, weil sie nämlich merken, dass ein großideologischer Anspruch, den sie erhoben haben, ihnen aus den Händen genommen wird. Es ist etwas sehr Interessantes.

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https://www.deutschlandfunk.de/soziologe-zu-coronakrise-werden-eine-rueckkehr-des-staates.694.de.html?dram:article_id=473427

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Freiheit in höchsten Nöten

Warum die Corona-Krise nicht zum Verfassungsnotstand stilisiert werden darf

Matthias Friehe
Sa 28 Mrz 2020

Matthias Friehe is qualification professor at the EBS University of Business and Law.


Innerhalb weniger Tage hat die Dynamik der Corona-Pandemie die Politik zu nie dagewesenen Freiheitseingriffen gezwungen: Gottesdienste wurden verboten, Grenzen geschlossen, Geschäfte dichtgemacht und inzwischen darf das Haus überhaupt nur noch mit Einschränkungen verlassen werden. Die FlattenTheCurve-Maßnahmen erschüttern unser Gemeinwesen. Noch im Februar entsprach es allgemeiner Meinung in den Medien, dass ein Lockdown wie in der chinesischen Provinz Hubei in westlichen Gesellschaften gar nicht denkbar sei….

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Plötzlich steht unser westliches Selbstverständnis infrage: Was unterscheidet uns noch von autoritären Regimen wie dem in China, wenn man nicht einmal mehr frei vor die Haustür treten darf? Mit voller Wucht erreichte diese Debatte in der vergangenen Woche auch das Verfassungsblog. Den Ausgangspunkt machte ein Beitrag von Hans Michael Heinig, der sich speziell mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Gottesdienstverboten befasste. Eine wie beiläufig eingestreute allgemeine Lageeinschätzung entfaltete in der letzten Woche ihre ganze rhetorische Kraft: „Ungern befände man sich in einigen Wochen in einem Gemeinwesen wieder, das sich von einem demokratischen Rechtsstaat in kürzester Frist in einen faschistoid-hysterischen Hygienestaat verwandelt hat.“ Damit hatte Heinig ein Stichwort geliefert, das zu einer der meistzitierten Wendungen auf dem Blog wurde. In engem Takt prasselten die Warnungen auf das Blog ein. So stellte Andrea Edenharter unter der Überschrift „Freiheitsrechte ade“ die Verhältnismäßigkeit von Ausgangssperren generell in Abrede, Uwe Volkmann sah sich zu staatstheoretischen Überlegungen über den Ausnahmezustand veranlasst und Thorsten Kingreen verlangte „eine andere Art von Präventionsarbeit (zu) starten: de(n) Schutz des Rechts“ – um nur eine kleine Auswahl zu zitieren.

Wenn die Rechtswissenschaft im Austausch mit Virologen und Epidemiologen aktuell nicht nur spezifisches über Corona-Viren, sondern auch strukturell etwas lernen kann, so ist es Transparenz gegenüber der Fehleranfälligkeit eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse. Wenn wir unsere Erkenntnismöglichkeiten zur materiellen Rechtmäßigkeit einschneidender FlattenTheCurve-Maßnahmen kritisch überprüfen, müssen wir zugeben, vielfach nur spekulieren können. Die materielle Rechtmäßigkeit entscheidet sich nämlich regelmäßig mit der Subsumtion unter die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Im Kern geht es darum, ob die angewandten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck stehen. Bei der Beurteilung von Gegenmaßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie ergibt sich allerdings das Problem, dass wir viel mehr über das Gewicht der Freiheitseingriffe als über das Gewicht des verfolgten Zwecks wissen.

Welche Bedeutung Grundrechte wie die Freiheit der Person, der Schutz von Ehe und Familie, die allgemeine Handlungsfreiheit oder die Religionsfreiheit haben, darüber gibt es ganze (derzeit geschlossene) Bibliotheken und lang entwickelte Rechtsprechungslinien des Bundesverfassungsgerichts. Worüber wir aber derzeit noch sehr wenig wissen, was sich ständig ändern kann, ist das Gewicht des mit den Gegenmaßnahmen verfolgten Zwecks…

Demokratie vs. autoritärer Staat: Demokratische Verfahren machen den Unterschied

Juristen sind es gewohnt, dass sie Fälle trotz Unsicherheiten über den Sachverhalt entscheiden müssen. Selbstverständlich können alle Maßnahmen, die der Staat gegen die COVID-19-Pandemie unternimmt, einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Wir sind eben kein hysterischer Hygienestaat, sondern bleiben ein funktionierender Rechts(wege-)staat.

Vor allem aber darf nicht aus den außergewöhnlichen inhaltlichen Herausforderungen an Politik vorschnell auf einen Notstand der Verfassungsinstitutionen geschlossen werden. Hysterisch waren Überlegungen, in einer schnellen Verfassungsänderung den Gemeinsamen Ausschuss (Art. 53a GG) als Notparlament auch in Friedenszeiten zu etablieren (dagegen bereits Christoph Möllers). Bei allem Ernst der Lage ist die Funktionsfähigkeit des Bundestags nicht ernsthaft in Gefahr.

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https://verfassungsblog.de/freiheit-in-hoechsten-noeten/

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Deutschlandfunk

Das widerstandslose Aufgeben der Freiheit ist gefährlich

Von Vladimir Balzer

Vladimir Balzer ist Journalist und Moderator beim MDR

Jeden Tag, an dem Freiheitsrechte eingeschränkt sind, als Verlust wahrnehmen – das ist für Vladimir Balzer ein Teil des nötigen demokratischen Widerstands.


Und wir Bürgerinnen und Bürger nehmen einfach alles hin. Wir sind offenbar bereit, jeden erdenklichen Preis zu zahlen.

Man könnte jetzt einwenden: Ist doch nur ein paar Wochen. Ja, mag sein. Aber genau dieses Durchspielen einer geschlossenen Gesellschaft ist gefährlich. Allein die Möglichkeit, dass wir dieses freie, offene Land ohne Diskussionen und spürbare Widerstände einfach so lahmlegen, dass wir Grundrechte außer Kraft setzen, dass wir Menschen denunzieren, die es wagen, eine Runde im Park zu drehen, dass wir eine Zwangsgemeinschaft aufbauen – allein diese Möglichkeit, ist ein Spiel mit dem Feuer.

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https://www.deutschlandfunkkultur.de/coronavirus-das-widerstandslose-aufgeben-der-freiheit-ist.996.de.html?dram:article_id=472946

 

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ZEIT-online

Corona-Maßnahmen: Alle kontrollieren alle

Der da hält doch den Abstand nicht ein! Die neuen Corona-Regeln sind ein Fest für Blockwarte – und ein gigantischer Feldversuch in sozialer Gestaltung.

Von  Lenz Jacobsen

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https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-03/corona-massnahmen-kontrolle-kontaktsperre-denunziation

 

CORONA DEBATABLE

WITTGENSTEIN: Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt . In der Reihe „debatable“ der New York Times vom 26.03.20 schreibt Spencer Bokat-Lindell: